Revue de réflexion politique et religieuse.

Über den Spon­ta­neis­mus

Article publié le 14 Juil 2009 | imprimer imprimer  | Version PDF | Partager :  Partager sur Facebook Partager sur Linkedin Partager sur Google+

Der Linkss­pon­ta­neis­mus hat sich neu ges­tal­tet und ver­zeich­net seit Davos, Seat­tle und Por­to Alegre neue Erfolge mit dem Alter­mon­dia­lis­mus. Es wäre von Inter­esse, nach des­sen Urs­prünge zu for­schen –ins­be­son­dere die Bezie­hung zu den vom Neo-Zapa­tis­mus des Unter­kom­man­dan­ten Mar­cos ange­wen­de­ten Tech­ni­ken– und nach der Anpas­sung der blan­quis­ti­schen Tra­di­tion an die Erfor­der­nisse der Welt­me­dien (anschei­nend von den­je­ni­gen, die die Atten­tate vom 11. Sep­tem­ber kon­zi­piert haben, meis­te­rhaft beherr­scht).

Ant­wort zu 2.:

Es ist ein Fak­tum, daß sich eine linke Gesell­schafts­kri­tik, die die­sen Namen ver­dient, in den letz­ten zwan­zig Jah­ren welt­weit zuse­hends ins Mikro­lo­gische zurück­ge­zo­gen hat. Und dies, obwohl sich das voll­mun­dige Vers­pre­chen der Mark­ti­deo­lo­gen, Glo­ba­li­sie­rung bedeute in letz­ter Ins­tanz Frie­den und mehr Wohl­stand für alle, nach zwei Jahr­zehn­ten neo­li­be­ra­ler Offen­sive gründ­lich bla­miert hat. Daran trägt u.a. die 68er-„Revolution“ ein gerüt­teltes Maß an Schuld. Zwar war ´68 kei­nes­wegs der Höhe­punkt des Spon­ta­neis­mus son­dern viel­mehr das Datum sei­ner offi­ziel­len Wie­der­ge­burt, doch weil man sich seit­dem auf pure Phan­tas­te­reien kapri­zierte, ende­ten zahl­reiche 68er als Begleit­pro­dukt kapi­ta­lis­ti­scher Moder­ni­sie­rung und for­mu­lie­ren inz­wi­schen begeis­tert alter­na­tive Regie­rung­spro­gramme, die ange­sichts der lau­fen­den Kri­sen kein ein­ziges Gramm eman­zi­pa­to­ri­schen Mehr­wirts erwirt­schaf­ten. Als Refor­mer im schlech­ten Sinne, den die­ser Begriff mit­tler­weile ange­nom­men hat, betrei­ben diese Leute repres­sive Kri­sen­ver­wal­tung und bes­chwö­ren dabei allen­thal­ben eine völ­lig nebel­haft blei­bende „Zivil­ge­sell­schaft“ als Trä­ger selbst­ve­rant­wort­li­chen Han­delns. Die neo­li­be­rale Pro­pa­gan­da tut genau das­selbe.
Die „neuen Erfolge“ des Links-Spon­ta­neis­mus bes­te­hen aller­dings unseres Erach­tens darin, daß die Attac-Theo­re­ti­ker Anto­nio Negri und Michael Hardt mit­tels ihrer verkürz­ten und per­so­na­li­sie­ren­den Kapi­ta­lis­mus­vors­tel­lung den neuen Elend­sun­ter­neh­mern ein­re­den wol­len, ihre „selbstän­dige“ Arbeit sei eine wirk­liche Frei­heit, weil sie einen Lap­top in ihrem Gepäck und kei­nen Chef nötig haben. In ihrem grund­le­gen­den Werk „Empire“ ist an kei­ner ein­zi­gen Stelle von eigent­li­cher kate­go­ria­ler Arbeits- oder Wert­kri­tik die Rede. Als ginge es heute noch um die Arbeits­be­din­gun­gen des ita­lie­ni­schen Fabrik­pro­le­ta­riats der fünf­zi­ger Jahre wird dage­gen die Mar­xsche Wert­theo­rie für übe­rholt erklärt und von einer neuen revo­lu­tionä­ren Sub­jek­ti­vität als Nach­fol­ge­rin der alten Arbei­terk­lasse schwa­dro­niert. Das ist auf­geklärtes Ges­chwätz im End­sta­dium. Rge­res­sion pur. Diese Intel­lek­tuel­len bewe­gen sich auf der Ebene vor­pro­gram­mier­ter Arbeits­bie­nen. Die Zweite Inter­na­tio­nale läßt grüßen !
Ana­log zur Zucker­guss­va­riante die­ser ver­lo­ge­nen Öff­nung­sre­tho­rik, die sich hier ein­mal mehr als der Wei­sheit letz­ter Schluß into­niert und sich dabei selbst ins Deli­rium ver­setzt, zei­tigt die pla­ne­ta­rische Poli­tik des inter­na­tio­na­len Ter­ro­ris­mus im Zei­tal­ter der glo­ba­len Kul­turkämpfe gewisse Erfolge. Da „die teuerste Ware auf dem Welt­markt nicht Gold oder Dia­mant, son­dern Kul­tur ist“ (Obi Egbu­na, 1970), muß, wer bei kul­tu­rel­len Bru­chli­nien­kon­flik­ten auch medial Flagge zei­gen will, nicht nur den hege­mo­nia­len Dis­kurs der rea­lis­ti­schen Theo­rie­bil­dung und die mediale Kla­via­tur meis­te­rhaft beherr­schen, son­dern auch die Kalt­schnäu­zig­keit besit­zen, der Rea­lität eines Wes­tens der Moderne die fremd­kul­tu­relle Rea­lität eines Nicht­wes­tens der Vor­mo­derne bzw. Gegen­mo­derne gewalt­sam vor Augen zu füh­ren. Posi­tiv daran ist jeden­falls, daß die ima­gi­nierte Verab­schie­dung des Wes­tens aus der Ges­chichte als meta­phy­sische Träu­me­rei à la Fukuya­ma ent­larvt wurde, und das Wie­de­rau­fle­ben von eth­ni­schen und reli­giö­sen Iden­titäts­bil­dun­gen und deren uner­war­tete Ges­chichtsmäch­tig­keit die große Illu­sion einer Vol­lend­bar­keit der Ges­chichte endgül­tig ad acta leg­ten.

3.

Der urs­prün­gliche Spon­ta­neis­mus geht auf die franzö­sische Revo­lu­tion zurück (Babeuf), der aber im kon­ter­re­vo­lu­tionä­ren Umfeld immer wie­der nach­geahmt wurde. Wenn Joseph de Maistre behaup­ten konnte, dass « die Kon­ter­re­vo­lu­tion keine Revo­lu­tion in umge­kehr­ter Rich­tung son­dern  das Gegen­teil von der Revo­lu­tion » sei, heisst es eben, dass diese Mime­sis eine mit der Revo­lu­tion zeit­genös­si­schen Rea­lität ist. Wenn auch die kon­ser­va­ti­ven, reak­tionä­ren, rechts­ra­di­ka­len Kreise, usw., poli­tisch auf die­sem Weg nie bedeu­tende Erfolge gehabt haben, haben sie nichts­des­to­we­ni­ger die Mime­sis in ihren theo­re­ti­schen Vors­tel­lun­gen gehegt. Ange­sichts der erwar­te­ten Implo­sion eines zu Ende gehen­den Sys­tems, was für ein theo­ri­siertes Aktions­mo­dell bleibt uns übrig ? Der Spon­ta­neis­mus hat aus­ser im Bereich der rei­nen Abs­trak­tio­nen kein poli­tisches Ziel son­dern nur ein mikro­so­ziales mora­li­scher und pri­va­ter Art, –er beans­prucht  eine gewisse Lebens­weise. Der Grund dafür  wird wahr­schein­lich am bes­ten durch den Imme­dia­tis­mus zutage gebracht : die feh­lende Tugend der See­lenstärke (als Unfä­hig­keit zur Geduld und schliess­lich zur Hoff­nung ;  Kehr­seite der Medaille von der uto­pi­schen Abs­tak­tion ?).

Ant­wort zu 3.:

Ein „theo­re­ti­sertes Aktions­mo­dell“ sehe ich auf der Rech­ten nicht. Die Zer­ris­sen­heit zwi­schen Fort­schritts­glau­ben und Deka­denz­be­wusst­sein kenn­zeich­nen zwar die meis­ten kul­tur­pes­si­mis­ti­schen End­zeit­dis­kurse, bei denen es immer um alles oder nichts geht, aber vorherr­schend blei­ben die nega­ti­ven Kon­no­ta­tio­nen. Als escha­to­lo­gische Irrea­los zwi­schen Post­mo­der­nis­mus und Life­style kann man sich gerade noch eine Ästhe­ti­sie­rung der Krise des Sys­tems leis­ten. Die Rechte ist, strom­li­nienför­mig ihrer Epoche ents­pre­chend zwar nicht mehr die alte, aber eben auch keine neue. Als Pro­to­typ für den post­mo­der­nen Sozial­cha­rak­ter kann sie auch alles andere als rechts sein. Das erweist sich aber gerade in sei­ner rech­ten Variante als eine Mischung aus Selbst­be­trug und Rosstäu­sche­rei, die haar­scharf an der ersehn­ten Ele­ganz vor­bei­se­gelt. Der alte Rechts­ra­di­ka­lis­mus wird dabei jedoch nicht auf­ge­ho­ben, son­dern zum bloßen Ges­tus verdün­ni­siert, bis von ihm bloß noch ein ver­bies­ter­ter, spießi­ger und theo­re­ti­sie­ren­der Sno­bis­mus übrig bleibt, der mit Begrif­fen wie „Revo­lu­tion“ oder „Kon­ter­re­vo­lu­tion“ nur noch äußer­lich koket­tiert, ande­rer­seits aber die Orwellsche Sprache des Libe­ra­lis­mus pflegt. Als blü­hendes Zeit­geist-Talent betet er im hip­pen Pop­ge­wand gera­de­zu das Evan­ge­lium der 89er Love­pa­rade-Gene­ra­tion herun­ter, der pein­lichs­ten Gene­ra­tion, die es je gab : die Ver­wei­ge­rung intel­lek­tuel­ler Kri­tik und bewuß­tem Widers­tand.
Der Auf­stieg der chi­ne­si­schen Macht und die Dyna­mik des Islam mögen viel­leicht die Not­wen­dig­keit eines christ­lich-kon­ser­va­ti­ven Gegen­fun­da­men­ta­lis­mus begrün­den, dem ste­hen jedoch die inne­ren Fäul­nis- und Ver­falls­pro­zesse des Okzi­dents ent­ge­gen. Wir haben unsere kul­tu­rel­len Grund­la­gen – und das Wesen aller Kul­tur ist nach Oswald Spen­gler Reli­gion – ohne jede Not ein­fach auf dem Müll­hau­fen ent­sorgt, dabei steht der Feind schon im Inne­ren. Aber auch zur inners­taat­li­chen Fein­derklä­rung fehlt uns ange­sichts unse­rer herun­teräs­the­ti­ser­ten Poli­tik schlicht­weg die Kraft. Statt­des­sen plant­scht man in den seich­ten Gewäs­sern des post­mo­der­nen Dis­kurses und erklärt die lächer­liche Ver­falls­ges­talt des mona­di­sier­ten, hand­lung­sunfä­hi­gen und bis zur offen­kun­di­gen Ichlo­sig­keit regre­dier­ten Inivi­duums zur großen Zukunft.
Da wir aufklä­re­ri­scher als die Aufklä­rung sein woll­ten in dem Wunsch Tabu­la rasa zu machen, im Iko­nok­las­mus, im Bruch mit allen Tra­di­tio­nen, bleibt einem nur noch der völ­lige Neuan­fang, ohne auf irgen­det­was Über­lie­fer­tem auf­bauen zu kön­nen. Die „Kehr­seite der Medaille der uto­pi­schen Abs­trak­tion“ bes­teht dann womö­glich in der gründ­li­chen Abwen­dung vom geis­ti­gen Gesamtmüll einer nega­ti­ven Onto­lo­gie, die in der Ges­chichts­me­ta­phy­sik der Moderne bis zur Bewusst­lo­sig­keit rein­kar­niert wird.

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